Pferdesprache in der Herde: Erfahrungen zum Horse Speak Kurs

Wer möchte nicht mit Pferden sprechen können, oder die Gespräche einer Pferdeherde verstehen können? Sharon Wilsie hat nach langer Beobachtung und Forschung die Gesten-Pferdesprache entschlüsselt und ist schon lange kein unbekannter Begriff in der Pferdeszene mehr. Anfang August hatten wir ein Horse-Speak-Gastseminar mit Kirsti Ludwig, welche die Einzige in Deutschland ist, die die Erkenntnisse von Sharon Wilsie zur Pferdesprache in Deutschland lehren darf und die Sharon überhaupt nach Deutschland geholt hat. Danke dafür!

 

Ein Highlight des Kurses mit Kirsti war es, am Ende des Kurstages, Horse Speak bei den Muttersprachlern in Aktion zu sehen. Die Gespräche der Herde wurden  von Kirsti "übersetzt" und die Teilnehmer konnten die erlernten "Vokabeln" gleich anwenden.

 

Dazu wurde eine kleine Gruppe von 4 Pferden frei auf den Reitplatz gelassen. In der Gruppe befanden sich der 2. ranghöchste Wallach, eine ehrgeizige Stute, die im Rang aufsteigen möchte, ein quirliger Jungspund und ein zweijähriges Jungpferd.

 

Zuerst begann der Wallach die ehrgeizige Stute immer wieder auf ihren Platz zu verweisen, hierzu benutze er sehr eindrücklich die Buttons am Kopf und an der Hinterhand, um sie weg bzw. vor sich her zu schicken. Die Stute lies ihren Frust direkt an dem Jungspund aus und schickte diesen immer wieder weiter.

 

Bald begann der Jungspund den Wallach  durch das Deuten auf den „Spiel mit mir- Button“ zum Spielen aufzufordern, welcher aber mit seiner neugewonnenen Macht, als Ranghöchster der Gruppe, dies als Angriff verstand und den Jungspund überdeutlich in seine Grenzen verwies. Leider war der Jungspund davon nicht besonders beeindruckt und bediente immer wieder den „Spiel mit mir- Button“, welcher mit einem „Go away face“ oder "Schulter-Button" quittiert wurde. Die beiden Buttons fordern dazu auf den Kopf bzw. die Vorhand aus wegzubewegen oder "aus dem Raum zu nehmen". 

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Bild 1: Eine Aufforderung zum Spielen mit dem "Spiel-Button" seitlich am Maul. Der Button führt in der Mensch-Pferd-Konversation oft zu Missverständnissen. (Beispielbild)

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Bild 2: "Nimm deine Vorhand aus meinem Raum!" über den "Schulter-Button". Der braune Wallach demonstriert seinen Rang. Zwar auf diesem Bild nicht besonders sanft, dafür aber effektiv. Die Fuchsstute macht, mit dem Kopf beginnend, Platz. (Beispielbild)

 

So ging es eine Zeit, die Herde zeigte sich nicht wirklich harmonisch. Andauernd schickte der Wallach, welcher seine Rolle als Ranghöchster der Gruppe sehr ernst nahm, einen der beiden anderen Pferde, die die Machtposition nicht akzeptieren könnten oder dieser gefährlich werden könnten, durch die Gegend.

 

Das Jungpferd hielt sich aus den Rangspielchen heraus. Wenn der Jungspund aber seinen „Frust“, nachdem er vom Wallach oder der ehrgeizigen Stute weiter geschickt wurde, an der Jungstute auslassen wollte, lies diese sich das gar nicht gefallen und kickte selbstbewusst nach diesem.

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Bild 3: Der Jungspund und die Jungstute. Der Junspund bedient auf dem Foto den Fellpflege-Button am Widerrist.  Bei der Situation auf dem Bild benutzt der braune Wallach den Button, um das Jungpferd vorwärts zu schicken.  Er lässt so seinen Frust  aus, dass er der anderen Stute weichen musste und versichert sich, dass auch er was zu sagen hat :) Leider haben wir nicht auf Foto eingefangen, wie die Jungstute selbstbewusst nach dem braunen Wallach gekickt hat und sich das dominante Verhalten ihres Kumpels gar nicht gefallen ließ. Ganz schön selbstbewusst für 2 Jahre. Wird der Fellpflege-Button in einer ruhigen Situation bedient bedeutet er "Ich will mit dir Fellpflege betreiben".

Eine neue Komponente in der Herdendynamik

 

Um eine andere Facette der Herdendynamik zu sehen, wurde der Herdenchef mit einer weiteren rangniedrigen jüngeren Stute zu der Gruppe gelassen.

 

Sofort schloss sich der Wallach dem Chef an, gähnte und berührte ihm am Gurt-Button, an dem sich auch Fohlen ihrer Mutter anschlossen. Der Wallach schien unendlich erleichtert nicht mehr die Verantwortung über die Herde übernehmen zu müssen und wich dem Chef nicht mehr von der Seite. Er blieb auf der Höhe des Gurt-Buttons, wie die Fohlen, die so die Verbindung zu seiner Mutter suchen. Innerhalb von Sekunden war aus diesem zuvor dominanten Pferd ein Schoßhündchen geworden. Er trug den Hals jetzt entspannt tief und seine Gesichtszüge wurden weich. 

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Bild 4: Ein guter Herdenchef (Schecke) bringt Ruhe in die Herde. Der Wallach schließt sich erleichtert seinem Chef an und weicht ihm nicht mehr von der Seite. Er bleibt auf der Höhe des Gurt-Buttons (Gurtlage), in der Verbindunsregion. Durch das hochziehen der Lippen (flehmen) massiert sich der Wallach einen Akupressurpunkt, der das limbische Systhem anspricht und so Endorphine freisetzt. Wahrscheinlich in diesem Fall als Stressbewältigung. Alternativ könnte er auch einen neuen Geruch aufnehmen.

 

Der Herdenchef zeigte souverän wahre Führungsqualitäten, denn auch jedes rangniedrige Pferd durfte neben dem Chef an den vereinzelten Grashalmen, die durch den Zaun erreichbar waren, fressen.

 

Dies erinnerte mich wieder an die Qualitäten des "Meisterherdenführers", den Linda Kohanov in Ihrem Buch "Intelligenz der Herde"* beschreibt und welches Themas unseres gleichnamigen Workshops ist. Der wahre Herdenführer ist derjenige, der auch eine "Gefährtenrolle" einnehmen kann und bei dem sich alle Herdenmitglieder sicher fühlen können.

 

Schreckensherrschaft durch einen "unreifen Dominaten"

 

Als nächste Änderung wurden die beiden Ranghöchsten (1. und 2. Herdenchef) aus der Gruppe genommen. Die ehrgeizige Stute war jetzt in der Rangfolge am höchsten.

 

Die Stute nutze die Position und schickte die anderen Pferde durch die Gegend. Ihr ging es nicht darum ein Pferd, welches ihr zu nahe kam, ihren Rang potentiell streitig machte oder an Gras knabberte, was sie beanspruchte, wegzuschicken, wie der Wallach zuvor.

 

Sie ließ scheinbar ohne Grund nicht von den anderen Pferden ab, trieb sie mit tiefen, langen Hals und verfolgte sie. Die Situation schaukelte sich so auf, dass alle, inklusive der ehrgeizigen Stute gestresst waren. Als wir das Tor des Reitplatzes öffneten, stürmte die ehrgeizige Stute zuerst davon, scheinbar froh der Situation zu entkommen. 

 

Sie zeigte das Verhalten eines "Unreifen Dominanten", der nur Machtausübung als Mittel kennt, um über die anderen zu herrschen. Gleichzeitig wurde aber auch klar, wie gestresst sie in dieser Führungsposition war, für die sie nicht die nötige Reife besaß. Wie muss es da zweibeinigen Führungskräften gehen, die meinen, sie müssten ihre Mitarbeitern ständig in einer "Hab Acht" Stellung halten. Das kostet einfach für alle Beteiligten zu viel Energie und führt unweigerlich zum Burnout. 

 

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Bild 5: Flucht vor der "ehrgeizigen Stute" (am Bild nicht zu sehen). Deutlich sind die verspannte Körperhaltung und die angespannten Gesichter der Beiden zu erkennen.

Eine Herde ohne Führung

 

Es blieben die drei jüngeren Pferde, die Jungstute, der Jungspund und eine 7 jährige Stute. Der Rang zwischen dem 6 jährige Jungspund und der 7 Jährigen war noch nicht geklärt. Die Zwei rumpeln auch im Alltag immer wieder aneinander, fressen danach aber friedlich nebeneinander.

 

Besonders interessant zu sehen war, das als kein Pferd mehr das Sagen hatte, bzw. den höchsten Rang innehatte, die Pferde am unruhigsten und verwirrtesten waren.

 

Die drei Pferde tobten über den Reitplatz, was man auch mit Spiel und Spaß hätte verwechseln können, hätte man nicht die Gesichter der Pferde beachtet. Die 7 Jährige schraubte ein paar Mal prustend in die Luft, das sogenannte Wächterschauben. Das Wächterschnauben ist mit Angst verbunden.

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Bild 6: Der Rang ist nicht klar. Hier rumpeln die zwei Jüngeren aneinander: ergebnislos

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Bild 7: Ohne Führung ist die Herde unruhig und rennt wild durcheinander.

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Bild 8Hohe Hälse und angespannte Nüstern. Ein deutliches Anzeichen für Stress.

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Bild 9Die hohe Haltung und die Aufgestellten Ohren beschreiben eine X-Haltung, die für Aufregung steht. Das Gegenteil wäre die entspannte O-Haltung mit gesenktem oder waagrechtem Hals..

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Bild 10Wächterschnauben mit hoch erhobenen Kopf und geblähten Nüstern. Das Wächterschauben symbolisiert Angst bzw., dass eine Gefahr entdeckt wurde.

 

Wir beschlossen die Pferde zu entlassen. Was als nächstes geschah war fast magisch und zeigt was Horse Speak bei der Beziehung zwischen Mensch und Pferd ausmacht.  Da die Pferde so geladen durch die Gegend schossen, konnten wir das kleine Tor vom Reitplatz nicht öffnen, um sie rauslaufen zu lassen, das wäre zu gefährlich gewesen. Wir mussten die Pferde also erst beruhigen. Eine schwierige Aufgabe bei drei Pferde, die sich gegenseitig hochschaukelten. Ich nahm mir ein Halfter und betrat den Reitplatz in entspannter, leicht gebeugter O- Haltung, simulierte ein Kauen und Blinzeln. Kauen und blinzeln können Pferde nur im entspannten Zustand, können sich aber an dem Entspannungszustand anderer Herdenmitglieder orientieren.

 

 

Die Wirkung einer guten Pferd-Mensch-Beziehung

 

Mir bliebt fast das Herz stehen, als der Jungspund auf mich zustürmte, vor mir abbremste, sich entspannte und das Halfter in den Mund nahm (zum Stressabbau). Er folgte mir ganz ruhig nach draußen.  Ich wusste zwar vorher schon, dass wir eine gute Beziehung aufgebaut hatten durch Horse Speak, aber nochmal zu sehen, das ich für ihn eine Safety-Zone bin und er mir vertraut, bzw, mir freiwillig folgt, war unglaublich berührend. Und das sollte ja das Ziel als Pferdemensch sein, für das Pferd vertrauenswürdig zu sein und ein sicherer Hafen.

 

Die kleine Übung machte auch sehr deutlich, wie sensibel das System einer Herde ist und wie schnell sich etwas in der Dynamik wie bei einem Mobile verändert, wenn man ein Teil herausnimmt oder hinzu gibt. Es sollte einem bewusst sein, dass Pferde, die einem häufigen Mitgleiderwechsel ausgesetzt sind, wie es in Reitställen leider oft anzutreffen ist, eine für sie große Aufgabe zu bewältigen haben. Daher sollte man nachsichtig sein, wenn sie in einer solche Phase mal nicht "so gut drauf" oder scheinbar unkooperativ wirken.

 

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Bild 11Eine friedliche Herde in O-Haltung. (Beispielbild)

 

Wenn du dich dafür interessierst dein Pferd zu verstehen und eine gemeinsame Sprache sprechen zu können, empfehlen wir dir Sharons Buch zu lesen und/ oder einen Horse Speak Kurs zu besuchen.  

 

Sharons Buch haben wir auch einen eigenen Artikel gewidmet ansonsten kommst du auch hier direkt zum Buch:

 

Du kannst dir auch unser kostenloses eBook mit 10 Inspirationen für eine bessere Beziehung zu deinem Pferd herunterladen oder ein Teil unserer Gruppe "Dein bewusster Weg mit Pferden" werden.

 

Hast du schon einen Horse Speak Kurs bei Kirsti oder Sharon besucht oder das Buch gelesen? Was sind deine Erkenntnisse oder Erfahrungen dazu?

 

An dieser Stelle wünschen wir dir viel Spaß beim lernen und entdecken :)

Schiromi & Andrea von Medizinpferde

 

Horse Speak Kurs mit Kirsti Ludwig, Pferdesprache lernen nach Sharon Wilsie

 

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